Gründung des Dachverbands
Das erste Treffen war am 29. November 1969. Die Idee dazu hatte der Vorsitzende der Blauen Funken, Toni Großmann. Denn nach den Gesprächen zwischen den Grün-Weiß-Gelben und den Blauen Funken, als es um die Prinzenfrage ging, sah Großmann die Notwendigkeit, dass sich künftig ein Dachverband um solche Fragen kümmern sollte. Im Lokal von Karl-Heinz Exner, Mitglied bei Blau-Rot-Gold, kamen neben Exner am 29. November 1969 die Herren Hans Zander und Ernst Schlaak von Grün-Weiß-Gelb sowie die Herren Dieter Burbach und Toni Großmann von den Blauen Funken zusammen. „Da haben wir über die Idee eines Dachverbandes gesprochen“, erinnert sich Ernst Schlaak. Über den Namen des Dachverbandes wurde damals zwar schon diskutiert, aber die Bezeichnung „Karnevalsausschuss“ gab man sich erst später.
Knapp ein halbes Jahr später, am 29. April 1970, kam der zu gründende Dachverband an gleicher Stätte zusammen. Man nannte sich nun bereits Karnevalsausschuss, wobei der Name wohl in einer vorangegangenen Sitzung gefunden worden war.
Die Teilnehmer dieser Sitzung, die der Vorbereitung einer Vereinseintragung beim Amtsgericht diente, waren: Toni Großmann, Dieter Burbach, Egon Radowski, Karl-Heinz Exner, Günter Krey, Erich Diaubalick, Hans Zander, Ernst Schlaak, Manfred Schlaak, Manfred Thurau, Hans Jürgen Lüngen.
An diesem Abend wurde der Weg für die Vereinseintragung frei gemacht. Bei drei Gegenstimmen wurde der entsprechende Antrag angenommen. Danach wählten die Ausschussmitglieder ihren Vorstand. Auf die Dauer von drei Jahren wurde Toni Großmann zum Vorsitzenden gewählt. Er erhielt bei der Abstimmung sechs Stimmen, Manfred Thurau bekam fünf Stimmen. Stellvertretender Vorsitzender wurde Hans Zander, der mit vier Stimmen vorne lag. Seine Mitbewerber Karl Heinz Exner und Manfred Thurau bekamen jeweils drei Stimmen. Zum Kassierer Wählten die Herren Egon Radowski und zum Schriftführer Ernst Schlaak. Damit war der erste Vorstand des Karnevalsausschusses im Amt. Bei seiner Gründung trugen drei Gesellschaften ihren Dachverband: Blaue Funken, Blau-Rot-Gold und Grün-Weiß-Gelb.
Am 18. Juni 1970 kam der Karnevalsausschuss erneut zur Sitzung zusammen. Bei dieser Zusammenkunft wurden weitere Themen zur Satzung besprochen, außerdem wurde ein Mitgliedsbeitrag festgelegt. Somit habe jeder angeschlossene Verein einen Jahresbeitrag von 30 Mark zu zahlen. Wer allerdings neu beitreten möchte, sollte eine Aufnahmegebühr von 50 Mark entrichten. Außerdem wurde in der Sitzung noch einmal deutlich gemacht, dass man den Umzug im kommenden Jahr, also 1971, vom Montag auf den Sonntag verlegen wolle und jeder Verein bis zum 15. September 1970 seine Anmeldung über Wagenbau und eventuelle Musikgestellung beim Vorstand einreichen möge. Schließlich Würden die Statuten des Karnevalsausschusses einstimmig angenommen.
Am 4. September 1970 erfolgte dann der Antrag auf Vereinseintragung an das Amtsgericht in Neuss. Notar Georg Kolkmann verfasste den entsprechenden Text. Vier Herren meldeten sich bei ihm und teilten mit, dass sie als Vorstand des Vereins „Karnevalsausschuss der Stadt Neuss“ den Verein zur Eintragung anmelden: Toni Großmann als erster Vorsitzender, Hans Zander als zweiter Vorsitzender, Egon Radowski als Kassierer und Ernst Schlaak als Schriftführer. Die einzelnen Funktionen der vier Vorstände schrieb Kolkmann handschriftlich neben die Namen. Dem Antrag legten sie bei: die Urschrift und Abschrift der Satzung, das Gründungsprotokoll vom 29. April 1970 und vom 18. Juni 1970. Nachdem Georg Kolkmann die Unterschriften der vier Karnevalisten beglaubigt hatte, ging das Paket ans Amtsgericht. Dort wurde der Karnevalsausschuss der Stadt Neuss dann am 26. Oktober 1970 in die Urkundenrolle Nummer 2138/70 K eingetragen. Die erste Satzung wurde dann in den späteren Jahren den aktuellen Gegebenheiten angepasst.
Toni Großmann stand nun an der Spitze des Karnevalsausschusses. Sieben Jahre sollte er dort bleiben, bis er einen Nachfolger bekam. Toni Großmann und Egon Radowski waren enge Freunde. Und Freunde dürfen sich auch die Wahrheit sagen, wenn es mal hakt. „Wir haben uns in der Sache manchmal heftig gestritten, aber privat sind wir immer menschlich geblieben“, erinnert sich Radowski. Der Streit, der bezog sich zunächst einmal auf das Amt des Vorsitzenden bei den Blauen Funken und die gleichzeitige Ausübung des Chefamtes beim Karnevalsausschuss. „Das ging so nicht, wir haben ihm ans Herz gelegt, entweder machst du den Karnevalsausschuss-Vorsitzenden weiter oder den Vorsitz bei den Blauen Funken. Und er hat sich für den Karnevalsausschuss entschieden“, sagt Radowski. Ein zweiter Streitpunkt war die Idee einer Agentur, so wie es in Köln Kurt Ludes vormachte. „Ich bin dahinter gekommen, dass Toni eine Agentur gegründet hatte. Der Hausfrauennachmittag bei Horten lief schon über diese Agentur von Toni Großmann.“ Darüber regte sich Egon Radowski kräftig auf. „Ich habe immer gesagt, es kann jeder sein Geld verdienen, aber noch Geld am Karneval zu verdienen, das ist für mich das letzte.“ So habe er, Egon Radowski, auf dem Parkdeck von Horten Erhard Schiffers angesprochen. „Ich habe ihm gesagt: So geht das nicht mehr. Du machst jetzt mal den Vorsitzenden. Aber es war aus einer Wut heraus geboren, weil mir das Gehabe von Toni nicht gefiel. Aber in einem Streitgespräch bei den Blauen Funken wurden die Wogen dann wieder geglättet.“
Auch der ehemalige Karnevalsprinz Lothar Bäsken erinnert sich an den Präsidentenwechsel, der letztlich die Keimzelle für die Stadt und Prinzengarde war. „Es kam nicht von ungefähr, dass der damalige Erste Vorsitzende der Blauen Funken, Peter Anton Großmann, einer der Gründer des Nüsser Fastelovends und eigentlicher Gründer des Kappessonntagszuges, auch gleichzeitig Erster Vorsitzender des Neusser Karnevalsausschusses war. Der 2. Vorsitzende der Funken war damals Egon Radowski. Man war der Meinung, dass die Tätigkeiten des Ersten Vorsitzenden Peter Anton Großmann als Vorsitzender des KA den schwer beschäftigten ,Ferkes Tünn‘, wie jeder Peter Anton Großmann in Neuss kannte, zu sehr beschäftigen würde und er wurde aufgefordert, an die zweite Stelle bei den Funken zu rücken, um Egon Radowski, einem Nüsser Original, (er wusste damals aber noch nicht, dass er einmal ein Nüsser Original werden wurde, weil er ursprünglich in Düsseldorf geboren worden war), Platz zu machen. Und so kam es, wie es kommen musste, ein klitzekleiner Streit unter Karnevalisten war entbrannt, das, wie ich meine, nicht das erste Mal und nicht das letzte Mal sein sollte. Diese Streitigkeiten hatten auch immer was Positives.
Es wurde ein neuer Verein gegründet, und es entstand die Stadt- und Prinzengarde. Angedacht war, die Leibgarde des jeweiligen Prinzen der Stadt Neuss zu werden und das Prinzenpaar bei ihren Auftritten zu begleiten. So fand die Gründung am 21. Mai 1977 ,Em Höttche‘ an der Oberstraße 137 statt, der Gaststätte von Peter Anton Großmann. Gründungsmitglieder waren: Peter Anton Großmann, Heinz Hübel, Theodor Königshofen, Heiner Jäger, Peter John, Pitt-Jupp Weinforth, Mario Großmann, Ewald Marschler und Manfred Derendorf. Der I, Kommandant wurde Peter Anton Großmann, jetzt offiziell , Ferkes Tünn‘, Nicht nur, dass er den Vorsitz bei den Funken aufgegeben hatte, nein er hatte auch mit einer Stimme bei der Wahl zum Vorsitzenden des KA gegen Erhard Schiffers verloren, der ab jetzt Chef des Neusser Karnevals war.“ Soweit Lothar Bäsken in einer Rede, die er anlässlich des Jubiläums Jahre Stadt- und Prinzengarde Neuss bei der Quirinussternverleihung am 21. Januar 2011 gehalten hatte.
Doch zurück zu Egon Radowski. Dass er selbst einmal Prinz der Stadt Neuss werden würde, diese Idee wäre ihm nach eigenem Bekunden nie gekommen, wenn es nicht schon wieder einen mächtigen Streit mit Toni Großmann gegeben hätte. „In einer Vorstandssitzung hat Toni gesagt: Ich habe einen Prinzen. Und als ich frage, wer das sei, sagte Toni: Das geht dich nichts an. Ich sagte: Moment Mal, jetzt bin ich schon acht Jahre zweiter Vorsitzender, ich will das wissen. Und dann kam eines zum anderen. Da bin ich dann nach Hause in unsere Wohnung über dem Wienerwald gegangen und habe zu meiner Frau gesagt: Frau, du machst jetzt die Prinzessin, Schluss. Dann bin ich wieder runtergegangen und habe gesagt: Ich stelle mich zur Wahl. Da sagte er: Du hast doch gar kein Geld dafür. Daraufhin habe ich ihm mein Sparbuch hin geknallt. Wir waren manchmal wie Katz und Hund, wenn es um die Sache und um den Verein ging. Aber privat haben wir uns immer getroffen, wenn er mittwochs zu hatte. Aber auch wenn er mal um den Block gehen wollte, haben meine Frau und ich seine Kneipe weitergeführt. Privat und zur Sache war bei uns ein himmelweiter Unterschied.“
Am 28. November 1984 nahmen die Karnevalisten dann Abschied vom ersten Vorsitzenden des Karnevalsausschusses. Wenige Tage nach Sessionsbeginn war Toni Großmann gestorben. An sein Wirken erinnerte damals Oberpfarrer Hans Dieter Schelauske:
„Als Gastwirt liebte er es, unter Menschen zu sein und er wollte, dass sie sich Wohlfühlten in seiner Gaststube. Ihm, dem gelernten Buchhalter, waren die Menschen wichtig. Seine Kneipe war für ihn nicht nur ein wirtschaftliches Unternehmen, sondern eine Stätte menschlicher Begegnung, Ort fröhlichen Beisammenseins, des Redens miteinander und auch des Pläne-Schmiedens. In seiner Gaststube sollten Menschen nach des Tages Arbeit und Einerlei ein wenig unbeschwerte Freude finden im fröhlichen Miteinander. Das fröhliche Miteinander der Menschen zu fördern war für ihn berufliches Lebensideal. Und so wurde er zum Initiator und Förderer des Neusser Karnevals. Der Karnevalsausschuss unserer Stadt hat in seinem Nachruf seine Persönlichkeit gewürdigt, wenn er schrieb: ,Er hat in vielen Funktionen seiner Idee, den volkstümlichen Karneval in Neuss zu etablieren, erfolgreich zu seiner heutigen Blüte verholfen‘. Viele, die Toni Großmann heute auf seinem letzten irdischen Weg begleiten, möchten ihm gerade dafür danken. Der rheinische Karneval hat sein eigenes Gepräge: Er ist weder nur Amüsement noch bloßer Klamauk. Er hat Geselligkeit zum Ziel, wächst aus der Liebe zur Heimat und möchte ein Band froher Gemeinsamkeit um Menschenherzen schlingen.
So hat Toni Großmann den Karneval verstanden und so hat er einen Maßstab gesetzt, der seine Freunde weiter verpflichtet. Ein Karneval, der nicht Menschen zusammenführt und verbindet, hätte ihn nicht interessiert. Nicht alles ist ihm so gelungen, wie er es eigentlich wollte, aber wem gelingt schon alles? Er hat zugepackt und einen Anfang gemacht, der nun weiterwachsen mag. Und ich meine, auch dafür schulden wir ihm Dank: dass er ein Beispiel gegeben hat für Engagement in einem Gemeinwesen, in unserer Stadt. Es gibt zu viele, die heute immer alles nur von anderen erwarten und sich selbst Freude und Frohsinn servieren lassen möchten, ohne selber zuzulangen und mitzutun. Toni Großmann hat in seiner Weise ein Stück Lebenswirklichkeit in unserer Stadt aktiv mitgestaltet. Nun ist er von uns gegangen. Wir hören seine Stimme nicht mehr. Sein Lachen ist verklungen. Wir treffen ihn nicht mehr. Er sorgt und plant nicht mehr mit seinen Freunden. Sein Gesicht sehen wir nicht mehr mit den Augen. Wir können es nur noch in unseren Herzen tragen.“
Am 29. Juli 1977 berichtet die NGZ, dass der Karnevalsausschuss einen neuen Vorsitzenden hat. Gegenüber der Gründung 1970 sind inzwischen acht Vereine im Karnevalsausschuss aktiv: Grün-Weiß-Gelb, Blaue Funken, KG Müllekolk, die Stadt- und Prinzengarde, die lustigen Marianer, Grün-Weiß-Gelb Reuschenberg, Schmedde Jongs und die Brauchtums- und Karnevalsgruppe der Heimatfreunde. Nach der Wahl präsentiert sich der neue Vorstand. Stellvertretender Vorsitzender bleibt Hans Zander, Luise Schliebs übernimmt die Geschäftsführung und Ernst Freistühler ist Schatzmeister. Toni Großmann, der bisherige Vorsitzende, wird Sitzungspräsident. Mit Erhard Schiffers sollte der Neusser Karneval einen gewaltigen Aufschwung nehmen. Er war ein Präsident, der den Neusser Karneval in Richtung Kreis öffnete und die Idee zu einer Zusammenarbeit mit den Narren in Mönchengladbach und Düsseldorf hatte.